Die Realität in wachsenden Unternehmen
Viele Unternehmen starten mit DATEV – und das aus gutem Grund: Die Software ist bewährt, erfüllt alle gesetzlichen Anforderungen nach HGB und bietet eine solide Grundlage für Finanzbuchhaltung, Lohnabrechnung und Steuererklärungen. Doch mit zunehmendem Wachstum steigen auch die Anforderungen: komplexere Prozesse, internationale Standorte, erweiterte Controlling-Strukturen.
Spätestens jetzt fällt der Begriff: ERP-Migration. Und mit ihm eine weitverbreitete Annahme: Was DATEV kann, wird das neue ERP-System wohl auch können.
Doch genau hier lauert ein teurer Denkfehler.
Warum DATEV und ERP-Systeme grundverschieden ticken
Gesetzeskonformität vs. Prozessfunktionalität
DATEV wurde von Grund auf für gesetzeskonforme Buchführung gebaut – insbesondere nach deutschem Handels- und Steuerrecht. Das bedeutet: Priorität haben prüfungssichere Buchungsvorgänge, Dokumentation, GoBD-Konformität und HGB-Abschlüsse.
ERP-Systeme hingegen werden meist international entwickelt – häufig mit Fokus auf Prozesslogik, Effizienz, Integrierbarkeit und Skalierbarkeit. Die Buchhaltung ist dabei ein Modul unter vielen – und nicht zwingend auf die strengen Anforderungen des HGB ausgelegt.
Die Annahme: „Ein ERP kann doch alles“
Viele Unternehmen gehen bei der ERP-Migration davon aus, dass ein modernes ERP-System automatisch alle Funktionen und Standards von DATEV abbildet – inklusive HGB-Buchführung, GoBD-Konformität oder steuerlicher Exportformate (z.B. für das Finanzamt oder das Steuerbüro).
Doch in der Praxis zeigt sich oft: Das neue System bietet funktionale Flexibilität, aber es fehlt an gesetzlicher Tiefe. Ohne gezielte Erweiterungen oder teure Customizations drohen Compliance-Risiken, Nacharbeit und Frust bei der Abschlusserstellung.
Worauf ihr bei der ERP-Migration aus Finance-Sicht achten müsst
1. HGB-konformes Finance-Modul prüfen
Nicht jedes ERP-System bietet eine vollständige und geprüfte HGB-Buchhaltung. Achtet darauf, dass:
- Bilanz und GuV nach HGB generiert werden können
- alle Buchungsvorgänge GoBD-konform dokumentiert sind
- Rückstellungen, Abgrenzungen und Kontenrahmen (z. B. SKR03/04) korrekt umgesetzt werden
2. Export zu DATEV sicherstellen
Gerade in der Übergangsphase bleibt die Zusammenarbeit mit dem Steuerbüro oft bestehen. Prüft, ob euer ERP-System standardisierte Exporte für DATEV bietet.
3. Kontrollsysteme und Revisionssicherheit nicht unterschätzen
Was bei DATEV selbstverständlich ist – wie z. B. automatische Journalisierung, Rechteverwaltung und Archivierung – muss im ERP-System oft erst konfiguriert oder erweitert werden.
Typische Stolpersteine bei der Umstellung von DATEV auf ERP
- Fehlende Prüfpfade: Buchungen lassen sich im ERP ändern oder löschen – ohne Revisionshistorie.
- Unvollständige Beleglogik: Das ERP bietet flexible Workflows, aber ohne klar definierte Belegtypen, Kontenverbindungen oder Journalregeln.
- Keine vordefinierte HGB-Struktur: Die Erstellung einer Bilanz oder GuV erfordert manuelle Anpassungen, weil das ERP-System IFRS- oder US-GAAP-zentriert ist.
Fazit: ERP-Migration ist kein Plug-and-Play – vor allem nicht für Finance
Ein ERP-System ersetzt DATEV nicht eins zu eins – und darf es auch nicht. Während DATEV stark auf rechtliche Konformität setzt, liegt der Fokus von ERP-Systemen auf Flexibilität und unternehmensweiter Prozessintegration. Wenn ihr euer ERP-Projekt plant, müsst ihr daher die gesetzlichen Anforderungen eurer Finanzbuchhaltung aktiv absichern.
🔑 Tipp: Bezieht eure Abteilungen frühzeitig in die ERP-Auswahl ein und vergesst Finance nicht. Testet das System ausgiebig vor der Einführung und plant nicht zu knapp. Was vorher schnell gehen muss, ist im Nachhinein teuer.